Zwei Männer und das Meer

Die Nacht ist tiefschwarz. Selbst der Mond hat sich verkrochen. Ein paar Sterne scheinen tapfer am Himmel, doch ihr Licht erhellt das Dunkel kaum. Wild stobend verkündet das Meer die heranrauschende Flut und bringt Wellen mit, die sich tosend am Strand brechen. Doch was ist das? Nahe des Ufers erkennen wir zwei kleine Leuchtpunkte. Wie Irrlichter schwirren sie an der Wasseroberfläche umher. Langsam kommen sie auf uns zu. Unterhalb des Scheins lassen sich zwei dunkle Gestalten erkennen. Gegen die Wellen ankämpfend, bahnen sie sich ihren Weg raus aus dem kühlen Nass. Ungläubig blicken wir auf zwei stählerne Männerkörper, auf die man neidisch werden könnte. Tropfend nass suchen sie zügig die Wärme des Lagerfeuers auf, welches am Strand brennt. Mit einem Lächeln im Gesicht halten sie uns kurz darauf eine Tasse Grüntee hin und fegen ein Stück Treibholz plank, so dass wir bei Ihnen Platz nehmen können.

Wir lernen Yanks und Osmand kennen, zwei gambianische Fischer. Der jüngere von beiden ist dreiundvierzig und topfit. Mit ihren voll beladenen Drahteseln sind sie vom Dorf hier her gekommen, auf einem schmalen, unbeleuchteten Pfad, der durch sattes Dickicht führt. Bis Mitternacht werden sie fischen, in der Hoffnung auf einen großen Fang. Doch wir sehen weder eine Angel, noch ein Netz. Stattdessen liegt eine meterlange Leine am Boden, welche in regelmäßigen Abständen beiderseits mit kurzen Schnüren verknotet ist und in jeweils einem Haken endet. Den Schluss bildet ein Sammelsurium aus Schlössern und anderen schweren Materialien. „Wie zum Teufel bringen sie diese ellenlange Leine ins Wasser?“ Verwundert und begierig darauf, die beiden bei ihrer Tätigkeit zu beobachten, warten wir ab.

Doch zuvor müssen die zwanzig Haken noch mit Köder bestückt werden. Ehe sich Sven versieht, hat er bereits eine Hand voll zerkleinerter Fischteile bekommen, die er im Taschenlampenlicht gemeinsam mit Yanks an den entsprechenden Stellen befestigt. Dann ruft das Meer und das Schauspiel beginnt. Den heransausenden Wellen und der Gischt trotzend wagen sie sich ein Stück weiter vorwärts, hinaus in die dunkle See mit der Leine in der Hand. Wir versuchen sie mit dem Lichtkegel der Taschenlampe nicht aus den Augen zu verlieren, doch immer wieder scheint sie eine Welle für einen kurzen Moment zu verschlucken, wenn diese über sie hinwegfegt. Mir wird bei der Vorstellung nun nur einen Fuß in das Wasser zu setzen, ganz mulmig zumute. Welche Wesen des Meeres hier bei Nacht wohl ihre Bahnen unter einem Ziehen? Bewundernd und fasziniert blicke ich auf die zwei Männer und hoffe etwas ängstlich, dass sie bald heil den Weg zurück an Land finden. Doch für die beiden Fischer ist alles Routine. Mit ein paar Handgriffen wird die Leine am Strand um einen mit einer Spule versehenen Stock gewickelt und durch einen sandgefüllten Wasserkanister am Boden fixiert. Nach getaner Arbeit kehren sie zurück zum Feuer, das Blinklicht an der Stange fokussierend.

Die zwei kleinen Fische, die bei der ersten Fangrunde ins Netz gingen, werden kurzerhand auf einem Stück Holz im Feuer gegart und uns zum Probieren angeboten. Mmmh, wie lecker ein Fisch doch schmecken kann, so ganz ohne Schnickschnack. Die Backen noch gefüllt damit, reicht uns bereits Osmand eine weitere Delikatesse. Zunächst nicht als solche von uns zu erkennen, kommen nach dem Entfernen der im Feuer geschwärzten Schale geröstete Cashewkerne zum Vorschein. So kommen wir in den Genuss verschiedener einheimischer Produkte und erfahren hautnah wie diese zubereitet werden. Wir sind begeistert und auch die beiden scheint es mit Freude zu erfüllen, die wenigen Lebensmittel, die sie dabei haben, mit uns zu teilen. Welch eine Gastfreundschaft!

Ein Blick auf das Blinklicht lässt Yanks aufspringen. Schnell läuft er zur Schnur. Ob er was gefangen hat? Gar einen der großen Rochen, welche er uns vorab stolz auf seinem Handy gezeigt hatte? Mit mehreren kräftigen Zügen hat er die Leine eingeholt. Dieses Mal ist es ein kleines Exemplar, doch auch darüber freut er sich. Nach einer kurzen Teepause beginnt das Spiel von vorne und er wagt sich erneut hinaus in die schwarze See.

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7 Antworten zu „Zwei Männer und das Meer“

  1. Avatar von Marion Förster
    Marion Förster

    Hallo Melanie,
    Dankeschön für die sehr schöne Geschichte. Sehr interessant und aufregend erzählt. Ich wünsche euch eine schöne Zeit und viele nette Ereignisse. LG von Marion

    1. Avatar von Melanie

      Herzlichen Dank, Marion! Es war auch ein spannender und sehr interessanter Abend für uns, an dem wir die beiden Fischer kennenlernen und begleiten durften.

  2. Avatar von Hans
    Hans

    Zwei Männer und das Meer
    was wird das wohl wieder für eine spannende Geschichte sein ???????

    Die außergewöhnliche Technik dieser zwei coolen Männer, um Fische zu fangen
    ist schon faszinierend . Selbst ihren kleinen Fang mit Fremden zu teilen, finde ich bewundernswert.

    Liebe Melanie,
    wieder einmal ist es dir gelungen euer Erlebnis so beeindruckend nieder zu schreiben. Da würde ich auch gerne dabei sein.

    Gruß Hans

    1. Avatar von Melanie

      Hallo Papa,
      vielen Dank! Oh ja, das wäre für dich als Angler auch wirklich sehr interessant gewesen, diese Fangtechnik live mitzuerleben.

  3. Avatar von Helga
    Helga

    Hallo, ihr zwei (drei) Abenteurer,
    wie weit seid ihr denn inzwischen auf eurer Reise gekommen? Es ist ja schon wieder einige Zeit verstrichen seit eurem letzten Bericht.
    Ich hoffe, die Reise verläuft noch weiter zu eurer Zufriedenheit und es gibt keine Probleme.
    Die beeindruckenden Reiseberichte haben michsehr gefreut.

    Ich wünsche euch weiter eine knitterfreie Reise und bleibt vorallem gesund.
    Liebe Grüße von Helga

    1. Avatar von Sven
      Sven

      Liebe Helga danke fürs Treue lesen, leider verlief es nicht knitterfrei. Uns hat das ganze Tropen Krankheitspaket erwischt und wir mussten uns erst einmal auskurieren. Darauf hin haben wir uns auch zum Abbruch der Reise entschlossen. Wir geben die Seite aber nicht auf. Nur werden weitere Geschichten erst in ferner Zukunft folgen.

  4. Avatar von Marion Förster
    Marion Förster

    Liebe Melanie, lieber Sven
    Ich wünsche euch eine gute, erfolgreiche und vorallem gesunde Reise auf einem anderen Kontinent mit guten Erfahrungen und guten Erlebnissen. Kommt gut an euer Ziel.
    Bleibt optimistisch und gesund.
    Liebe Grüße eure Marion

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