Mein Truck, mein Motorrad, mein Bike –  
Teil II

Mein Truck, mein Motorrad, mein Bike –  
Teil II

MacGyver at its best

Schweren Herzens verlassen wir den Stellplatz bei David und ziehen weiter. Auf unserem Weg zum Bohinjsee lassen wir uns die Tolmin-Klamm nicht entgehen, die sich Nahe dem gleichnamigen Ort befindet. Der Stopp lohnt sich allemal. Obwohl Pfingstferien sind, können wir entspannt die Pfade entlang der Schlucht spazieren. Die erwartete Menschenmenge bleibt aus. Fasziniert bestaunen wir das Schauspiel, das die Natur uns bietet: Umgeben von einer üppigen Vielfalt an Grünpflanzen bahnt sich der kristallklare Fluss seinen Weg durch das Gestein und hinterlässt einzigartige Felsformationen. Von vorne blickt uns ein steiniger Bärenkopf an, über unseren Köpfen hängen Efeu und lianenartige Gewächse herunter, bekannte Pflanzen zu unseren Füßen scheinen sich hier nach Lust und Laune ausbreiten und enorm wachsen zu können. Es fühlt sich ein bisschen wie im Dschungel an.

Nachdem wir unseren Rundgang in der Schlucht beendet haben, schlendern wir zufrieden zurück zu Giorgio. Wir wollen uns die erfrischende Melone gönnen, die auf uns im Bus wartet und dann weiter zum Bohinjsee. Während ich also fröhlich das Obst in Stücke schneide, möchte Sven kurz das etwas undichte Reifenventil zurecht rücken. Plötzlich höre ich neben mir nur noch ein Geräusch, das sich anhört, als würde man die Luft einer riesigen Hüpfburg schlagartig entweichen lassen. Leider handelt es sich dabei um unseren Reifen, der in windeseile platt neben uns liegt. Schnell holt Sven den Wagenheber, um das Rad in die Höhe zu wuchten. Dann nimmt er ein Stück alten Fahrradreifen und versucht, das Ventil zu flicken, doch das alte Gummi zerbröselt dabei nur. Als nächstes macht er sich über unsere Bestecktasche her. Ich frage mich, was er damit will, verhalte mich jedoch ruhig und warte einfach mal ab. Schließlich kommt der Kompressor zum Einsatz. Es dauert eine kleine Ewigkeit bis die 5,5 bar in Giorgios Reifen gepumpt werden. Das Gerät ist so heiß, dass wir befürchten es würde gleich den Geist aufgeben. Endlich ist der benötigte Luftdruck erreicht. Wir spitzen die Ohren, doch kein Laut ist zu hören. Juhu, das Ventil ist dicht. Wie hat Sven das nun wieder geschafft? Tja, ähnlich wie MacGyver ist Sven ein Meister der Improvisation. Und so wird aus einem gewöhnlichen Haushaltsgummi der Dichtring für unser Ventil. Ich bin begeistert und schreibe Haushaltsgummis gedanklich auf unsere Liste der Dinge, die definitiv mit auf die Reise müssen.

Mit einer guten Verspätung fahren wir schließlich vom Parkplatz los. Wir hören eine Gute-Laune-Sixties-Playlist und schlängeln uns auf engen Straßen entlang Richtung Osten. Die Landschaft ist wunderschön, doch wir kommen nur langsam vorwärts. Die Nacht bricht schon fast an und der See ist noch ein gutes Stück entfernt. Daher übernachten wir spontan auf einer Campingfläche der Hochebene Soriška planina. Wir packen uns dick ein, denn über Nacht wird es hier ganz schön kalt. Doch Kälte hin oder her, als Sven kurz vor Mitternacht einen Fuchs in aller Seelenruhe durchs Camp spazieren sieht, krieche auch ich kurz aus meiner warmen Decke.

Nach einer unruhigen Nacht geht es am nächsten Morgen mit einem kurzen Stopp am Bohinjsee weiter zum Eco River Camp. Etwas abgeschieden und umgeben von Wald liegt dieses ruhige Plätzchen unweit des Bleder Sees. Das Camp, welches Wert auf Nachhaltigkeit legt, scheint ein guter Ort zu sein, um Sven einen angenehmen Platz für seinen ersten Arbeitstag unterwegs zu geben. Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Sven arbeitet, ich erkunde etwas die Umgebung. Abends geht es täglich eine Station weiter Richtung Slowakei. So passieren wir Graz und den Neusiedler See im Schnelldurchlauf bis wir eines Abends auf dem Parkplatz des Slovakiarings stehen.

Wo die wilden Kerle wohnen

Am nächsten Morgen um 6:45 Uhr klingelt der Wecker, das Rennabenteuer beginnt. Zumindest für Sven. Irgendwie aber auch für mich. An Schlaf ist in Anbetracht der tösenden Motoren für mich nicht mehr zu denken. Motorräder in den unterschiedlichsten Ausführungen und deren ebenso kunterbunt gemischte Fahrer belagern jeden Meter der riesigen Parkfläche. Es ist heiß, aus den Boxen dröhnen die Maschinen in ohrenbetäubender Lautstärke. Die Luft ist nur noch ein Gemisch aus Abgasen, Leder und verbranntem Gummi. Dort stehen sie, die harten Kerle in ihren Lederkluften und Protektoren und warten vorfreudig auf ihren ersten Turn. Die Stimmung ist angespannt. Wie wird es sein, dass erste Mal auf einer Rennstrecke zu fahren? Die Maschine an ihr Limit zu bringen? Sie dort zu bewegen, für was sie gemacht wurde? Dann ist Sven dran. Die Hände sind etwas zittrig. Er steigt auf. Die Fahne wechselt auf Grün und los geht’s. Runde um Runde vergeht, die Schieflage in den Kurven wird zunehmend tiefer, das Knie setzt auf. Kaum begonnen, ist der Turn zu Ende. Sven steigt ab und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Sein Gesicht zeigt pure Euphorie. Hier ist er richtig, auf dem Spielplatz für große Jungs. 

Bild Urheber: 1000ps

Zwei Tage, etliche Turns und weit abgefahrene Reifen später treten wir den Heimweg an. Endlich kann ich meine Ohren von den letzten Tagen des Dauer-Oropax-Tragens befreien. Das letzte Ziel vor der Heimat ist Linz. Bereits ein Jahr zuvor waren wir bei unserer Fahrradtour von Regensburg nach Linz absolut von dieser Stadt begeistert. Einen Extrapluspunkt bekam es von mir für das leckere afrikanische Restaurant, welches wir unbedingt nochmal aufsuchen wollen. Auf ein kulinarisches Highlight und einen Spaziergang durch die Stadt folgt ein wundervoller Abschlussabend am Bauernhof. Die Familie Kaltenböck in Fall begeistert uns mit ihrer Freundlichkeit und Gelassenheit. Abends sitzen wir gemütlich in unseren Campingstühlen auf der Wiese, bestaunen das Leuchten der Glühwürmchen und lauschen dem Froschkonzert von Nebenan. Um dem ganzen noch einen gebührenden Abschluss zu bescheren, werden wir sogar noch mit einem Feuerwerk in der Ferne überrascht. Zufrieden schlüpfen wir in unsere Betten. Sven träumt vom Motorradfahren und ich von der Zeit, in der unser Urlaub nicht zu Ende geht.

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2 Antworten zu „Mein Truck, mein Motorrad, mein Bike –  
Teil II“

  1. Avatar von Silvia Wolfrum
    Silvia Wolfrum

    Hallo ihr Zwei,

    das klingt alles sehr spannend und aufregend. So eine Tour haben wir mit dem Wohnmobil 3 Wochen durch Kanada gemacht.
    Die Natur und die wilden Tiere sind beeindruckend. Abends ein kleines Lagerfeuer am Camp und die Welt war in Ordnung. Ich wünsche euch eine schöne Zeit und viele schöne Ereignisse.
    Liebe Grüße Silvia

    1. Avatar von Sven
      Sven

      Danke dir Silvia, wir freuen uns auch schon riesig auf die neuen Erfahrungen und Erlebnisse. Drei Wochen durch Kanada klingt auch herrlich. Vielleicht klappt das auch irgendwann bei uns, ganz weit in der Ferne.

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